Nah dran! Neue Stücke für das Kindertheater 2025
Gemeinsam mit dem Deutschen Literaturfonds vergibt das Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland jährlich vier Stipendien zur Entwicklung neuer Stücke für das Kindertheater. Das Programm Nah dran! Neue Stücke für das Kindertheater zeichnet sich durch die programmatische Zusammenarbeit der Autorinnen und Autoren mit Theatern und Regisseurinnen und Regisseuren aus und kann – seit 2009 – auf eine erfolgreiche Geschichte der Autorenförderung zurückblicken.
Über 90 Projektbewerbungen sind 2025 eingegangen. Die Bewerbungen lagen der Jury in anonymisierter Form vor. Nun hat die Jury vier Textprojekte ausgewählt, die gefördert werden und deren Exposés von Kooperationstheatern gesichtet werden können. Folgende Stückprojekte werden gefördert:
Chantal-Fleur Sandjon
POLIFKE GEGEN PIEFKES (ab 6 Jahren)
„Polifke ist eine Schildkröte mit Prinzipien. Genauer gesagt: mit sehr festen Routinen. Er mag keinen Trubel, keine Veränderung, keine anderen. Manchmal mag er noch nicht einmal sich selbst. Sein Leben ist durchgetaktet. 200 Schritte am Tag, Rosenkohl, Ruhe. Doch dann ziehen Adu und Badu bei ihm ein. Zwei junge Schildkröten, die Geschichten erzählen, rappen und toben. Chaos für Polifke, was genau das ist was seine Welt (nicht) dringend braucht. Was auf den ersten Blick wie ein tierisches Kinderstück wirkt, entpuppt sich schnell als clevere Fabel mit Tiefgang. Es geht um das Älterwerden und darum, wie schwer es sein kann, Gewohntes loszulassen. Es geht um das Zusammenleben auf engem Raum, das Nebeneinander unterschiedlicher Bedürfnisse und um die ganz große Frage: Was passiert, wenn wir aufhören, uns gegen Nähe zu wehren?“ (Mirrianne Mahn)
Julia Herrgesell
LÖWENZÄHNE (ab 6+ Jahren)
„Löwenzähne ist ein Theatertext über zwei Kinder, Ben und Nila, die ihre Mutter Mummel vermissen. Sie ist zwar noch da, doch alles ist ruhiger geworden, ganz still. Mummel singt, tanzt und lacht nicht mehr. Die einfachsten Aufgaben erledigt sie nicht. Das Fahrrad ist schon so lange kaputt und die Wäsche wird auch kaum noch gewaschen. Für Nila ist die Sache ganz klar – In Mummels Brust wächst eine Blume, ein Löwenzahn, gegen die das Herz ständig ankämpfen muss. Wo soll sonst die ganze Müdigkeit und Schwere herkommen? Erst wenn der Löwenzahn zu einer Pusteblume wird, kann Mummel wieder glücklich sein. […] Der Text versucht nicht, den Begriff Depression kleiner und weniger schwerwiegend erscheinen zu lassen, sondern weist viel mehr auf die Möglichkeiten hin, die sich durch eine Akzeptanz innerhalb einer Familie ergeben können." (Anaïs Clerc)
Miriam Unterthiner
OMA FLIEGT ZUM MARS (ab 8+ Jahren)
„Hätten Frauen zum Mond fliegen dürfen, wäre sicherlich meine Oma der erste Mensch auf dem Mond gewesen“, steht für die Entdeckerin fest, doch damals war es noch nicht so weit mit der Gleichberechtigung, und so wurde Neil Armstrong die Ehre zuteil. „Dafür wird der erste Mensch auf dem Mars ein Mädchen sein, nämlich ich.“ Und dafür absolvieren Oma und Entdeckerin schon lange die tägliche Kosmoastronautinnen-Ausbildung, vom morgendlichen intergalaktischen Frühstück bis zum abendlichen Trainingspunkt „Zähneputzen“. Ein eingespieltes Team sind die beiden. Doch irgendwas stimmt nicht: Die vielen Jahre im Weltall und all die Schwerelosigkeit haben Oma wackelig auf den Beinen gemacht und ein wenig vergesslich ist sie mitunter auch. Als schließlich eine Ärztin nach eingehender Untersuchung mit verschiedenen intergalaktischen Messmaschinen sagt, dass Oma weniger im Kopf wird, dass sie immer weniger Oma im Kopf hat, ist klar: „Houston, wir haben ein Problem.“ (Moritz Staemmler)
Till Wiebel
ENZO UND DER ORT IM WORT (ab 8 Jahren)
„Enzo und der Ort im Wort erzählt mit großer Leichtigkeit von etwas, das eigentlich schwer wiegt. Es geht um Sprachlosigkeit, um Verantwortung, um das stille Wissen, dass nicht alle Eltern lesen können und wie Kinder oft übernehmen müssen, wo Erwachsene aus Scham schweigen. Das Stück findet dafür eine Form, die weder belehrend noch mitleidig ist. Stattdessen baut es eine Welt aus Sprache, aus Buchstaben und Zeichen, in der Fantasie und Realität sich gegenseitig durchdringen. Enzo reist durch ein Alphabet-Universum, das lustig, schräg, traurig und auch sehr klug ist. Dort trifft er auf ein Lexikon, ein Ausrufezeichen, Fragezeichen und viele verlorene Wörter. Das alles funktioniert nicht nur als Erzählung, sondern auch rhythmisch. Die Sprache spielt mit Klang, Wiederholung und Tempo. Und da, wo es um das Buchstabieren geht, entsteht ein Beat, der Kinder mitnimmt, ohne sie zu überfordern.“ (Mirrianne Mahn)
Die vier Autorinnen und Autoren erhalten eine Förderung von jeweils 10.000 Euro für ihre Stückentwicklung. Im Vergleich zu vorherigen Ausschreibungen gab es eine Erhöhung um 2.000 Euro. Weitere 1.000 Euro erhalten die Kooperationstheater, die die Stücke zur Uraufführung bringen.
Der Jury 2025 gehören an: Anaïs Clerc (Autorin und Dramatikerin), Mirrianne Mahn (Autorin, Aktivistin, Politikerin und Theatermacherin) sowie Moritz Staemmler (Verleger, Kuratoriumsmitglied des Deutschen Literaturfonds).
Die Stückprojekte sollen in Kooperation mit Theatern entwickelt werden. Dazu erfolgt eine Einladung an die Theater zur Interessensbekundung. Die Ausschreibung für Theater finden Sie auf www.jungespublikum.de.
Die neu entstehenden Stücke sollen in der Spielzeit 2026/27 uraufgeführt werden.