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Großer Preis des Deutschen Literaturfonds 2023 an Annette Pehnt

Den mit 50.000 Euro dotierten „Großen Preis des Deutschen Literaturfonds“ erhält in diesem Jahr Annette Pehnt. Sie wurde von der Jury, bestehend aus Birte Lipinski, Manuela Reichart und Hans Thill, aus dem Kreis der bisher durch den Deutschen Literaturfonds geförderten Stipendiaten und Stipendiatinnen gewählt.

Der Preis wurde am 27. November 2023 im Literarischen Colloquium Berlin überreicht.

Der Große Preis des Deutschen Literaturfonds

Der Deutsche Literaturfonds, der sich seit 1980 der Förderung deutschsprachiger Gegenwartsliteratur widmet, hatte 2020 sein 40-jähriges Jubiläum zum Anlass genommen, erstmals den mit 50.000 Euro dotierten Großen Preis des Deutschen Literaturfonds zu vergeben. Der Preis geht hervor aus dem zuletzt mit 30.000 Euro dotierten Kranichsteiner Literaturpreis, der zwischen 1983 und 2019 jährlich durch den Deutschen Literaturfonds in Darmstadt verliehen wurde.

Preisverleihung des Deutschen Literaturfonds 2023

Begründung der Jury

Der Große Preis des Deutschen Literaturfonds geht 2023 an die Erzählerin Annette Pehnt.

Ihr umfangreiches Werk zeugt von einer beeindruckenden Fähigkeit, in ganz verschiedenen literarischen Formen und oft mit wenigen Worten Perspektiven zu vermitteln, Geschichten aufzubauen und Stimmungen zu erzeugen. In ihrem aktuellen Roman Die schmutzige Frau hat sie auf originelle Weise die schriftstellerische Arbeit selbst zum Thema gemacht. Sie verknüpft hier eine versifizierte Rahmenhandlung um eine von ihrem Ehemann finanziell abhängige Schriftstellerin mit eingelegten Prosaminiaturen und entwickelt so ein ganz eigenes Spiel von Strenge und Erzählfluss, vom Umgang mit dem Schreiben und der Fiktion. Dass nur aus der Perspektive der Protagonistin die Handlung zu erschließen ist, unzuverlässig und oft nur andeutungsweise, macht den Reiz der Erzählung aus und kommt einer „Wahrheit“ über das Leben wohl näher als jede eindeutige Behauptung.

In der Kurzprosa wie im Lexikon der Angst und im Lexikon der Liebe, in ihren Kinderbüchern und vor allem in ihren herausragenden Romanen sind solche überraschenden Blickwinkel und wechselnden Figurenperspektiven immer wieder staunenswert.

Die zahlreichen Ich-Erzähler in Alles was Sie sehen ist neu, die Stück für Stück ein Bild der Hauptfigur aufbauen, entwickeln einen ganz anderen Erzählfluss als die Ehefrau in Mobbing, die eigentlich wenig weiß und doch über alle Lücken hinweg erzählt.

Dabei sind Annette Pehnts Figuren vielschichtig und jenseits aller Klischees angelegt. Überrascht merken wir beim Lesen, welche Tiefe die Autorin mit ihren manchmal fast kargen Beschreibungen erreicht, mit welcher Präzision sie ihre Charaktere zeichnet. Von obsessiver Liebe und Verlust in Briefe an Charley bis zu Alter und Tod im Haus der Schildkröten entwirft sie dabei immer auch Beziehungspsychogramme.

Ihre Geschichten fordern uns auf beste Weise heraus: durch Form und Inhalt. Für ihr Gesamtwerk und mit besonderer Hochachtung vor dem jüngsten Roman Die schmutzige Frau verleiht die Jury Annette Pehnt den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds.

Begründung der Jury, der Birte Lipinski, Manuela Reichart, Hans Thill angehören

Laudatio auf Annette Pehnt von Christine Lötscher

Sehr geehrte Anwesende, liebe Annette

2021 erschien ein Buch mit dem Titel Book Rebels. 75 Heldinnen aus der Literatur, herausgegeben von Annette Pehnt. Eine Anthologie für junge Leser:innen, die bei den meisten anderen Autor:inen in der Kategorie ‘Nebenwerk’ abgebucht würde. Nicht jedoch bei Annette Pehnt. Tatsächlich würde die Unterteilung in Werk und Nebenwerk den Zugang zu ihrem Schreiben nur vernebeln und unsichtbar machen, worum es ihr, die heute mit dem Großen Preis des Deutschen Literaturfonds ausgezeichnet wird, eigentlich geht. Denn bei Annette Pehnt sind Bücher für Kinder und Bücher für Erwachsene, ihre Lexika, experimentelle Schreibperformances ebenso wie das kollektive Schreiben, das sie vor einiger Zeit entdeckt hat, Teil eines Schreibprozesses, der sich in einzelnen Projekten kristalliert, aber niemals zur Ruhe kommt.

Deshalb zurück zu den Book Rebels. Das Buch versammelt kurze Texte, verfasst von Studierenden des Literaturinstituts in Hildesheim, die das Buch gemeinsam mit ihrer Dozentin konzipiert haben, und schließt mit einem Nachwort der Herausgeberin. Darin spricht Annette Pehnt die jungen Leser:innen an, die nach ihrer Lektüre der Kurzporträts wohl noch ganz berauscht sind von den so unterschiedlichen Temperamenten und Temperaturen des Rebellischen, die sich von Alice und Heidi über Kassandra und Orlando bis zu Ronja Räubertochter und der Roten Zora entfalten:

«[…] vielleicht habt ihr auch manchmal gedacht: Das sind ja nur Rebellinnen aus Papier. Alles spielt sich doch nur in den Köpfen ab – in den Ideen der Schriftsteller*innen, in den Träumen der Leser*innen, in den Bildern der Zeichnerin. Stimmt. Aber ich glaube nicht an das ‘nur’. Ich glaube, dass das Wichtigste in unseren Köpfen passiert. Sonst ändert sich nämlich gar nichts.»

In diesem Sinne ist Annette Pehnts Literatur in hohem Maße politisch.

Annette Pehnts Texte, ihre Leser:innen wissen es, sind Räume; Räume mit offenen Fenstern und Türen, durch die der Wind und die Katze – oder vielleicht eher der Hund – die Welt hereinschleifen; es sind Räume, die mit dieser Welt rhizomatisch verwoben sind. Oder anders gesagt: Was die Texte antreibt und was sie mehrdimensional macht, ist eine ständige Verhandlung über ihre eigene Gemachtheit und ihr Verhältnis zur Vielstimmigkeit der erlebten, der erfahrenen Welt.

Als Leser:innen sind wir eingeladen, diese Räume zu betreten und zu erkunden. Wenn wir den Buchdeckel zuschlagen, sind wir nicht mehr dieselben. Mit dem Changieren der Atmosphäre, des Lichts, hat sich auch unser Blick verändert. Und wir sind nicht mehr allein. Genauer: Wir erkennen, dass wir niemals allein waren, sondern immer schon verbunden, abhängig und verletzlich, aber mit einem riesigen ungenutzten Potential, das in den Zwischenräumen liegt. Dieses Wissen mag abstrakt präsent sein, und dennoch braucht es die konkrete Erzählung, die sinnlich gestaltete Szene, um seine Bedeutung wirklich zu begreifen. Denn Genauigkeit kann helfen, um einen Satz aus dem Lexikon der Liebe (2017) zu paraphrasieren. Wenn ein braver Junge auf einen braven Waschbären trifft und die beiden gemeinsam einen Hauch Chaos und Anarchie zulassen lernen, wie in Hieronymus oder wie man wild wird von 2021, ist das viel mehr als eine lustige Tiergeschichte, weil es Annette Pehnt gelingt, ein Gefühl des Planetarischen in die ganz alltägliche und überaus wundersame Beziehung zwischen Kind und Tier einzupflanzen. «Eigentlich sind Menschen ja nie gleichzeitig», heißt es im Briefroman Briefe an Charley (2015) einmal, und tatsächlich weckt Annette Pehnts literarische Raumtheorie und -Praxis die Sensibilität für Zeitlichkeit, für den Rhythmus der Sprache, gerade im Lakonischen. Und dafür, dass es vielleicht wirklich ein Wunder ist, wenn sich Gleichzeitigkeit einstellt: «[…] ein Wunder, wie zwei sich anschauen und gleichzeitig in Lachen ausbrechen.»

Annette Pehnts Texte wecken bei den Leser:innen den Wunsch, Aussagen zu präzisieren oder noch einmal anders zu formulieren. Denn was ihre Romane und Erzählungen, ihre Kurzprosa und ihre Essays so einzigartig macht, ist ihre Kunst, mit großer Präzision und Klarheit Geschichten zu erzählen, Geschichten mit Spannungsmomenten und Höhepunkten, Überraschungen und Konflikten, ohne dabei jemals konventionell zu sein. Der Schreibprozess ist so präsent, auch im gedruckten Buch noch; er färbt das Erzählen ein und macht es mehrdimensional. Oder noch einmal anders gesagt: Annette Pehnts Bücher lassen sich mehrsinnig lesen, einmal als psychologische Erzählungen, als Auseinandersetzungen mit der sozialen Wirklichkeit unserer Zeit, und einmal als Reflexionen über das Schreiben und das Lesen, über die Literatur als Prozess.

Denn nicht nur was erzählt wird, ist entscheidend. Vielmehr ist es die Haltung der Autorin als Schreibende, die mit nie versiegender Neugier von ihr selbst untersucht und befragt wird. Diese Positionierung vollzieht sich in der Art, wie sie sich dem Verhältnis von Sprache und Welt nähert: als Forschende, ein wenig auch als Abenteurerin und Ethnografin. Forschung, das lernt man in Annette Pehnts Texten, hat mit Form zu tun, mit der Gestaltung von Versuchsanordnungen. Darin besteht die Konstante ihres vielschichtigen Werks.

Ich hatte das große Glück, Annette Pehnt in den letzten 22 Jahren – seit Erscheinen ihres gefeierten Erstlings Ich muss los (2001) – in allen möglichen Facetten ihres Autorinnendaseins kennenzulernen: als Gesprächspartnerin auf Podien, in Jurys und im Rundfunk, aber auch als Professorin am Literaturinstitut Hildesheim, die den Tag mit kollektiver literarischer Morgengymnastik beginnt. Auch ihre Bücher erscheinen so unterschiedlich wie Heidi und Pippi Langstrumpf. Man denke nur an Mobbing (2007), der Roman mit dem kurzen Titel und seinem sogförmigen, auf beinah paranoide Weise stringenten Narrativ, und an den drei Jahre später publizierten Erzählband mit dem exzessiven Titel Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen, das muss gar nicht lange dauern, der sich in sechs formal ganz unterschiedlichen Ansätzen dem Unausgesprochenen annähert. Es lassen sich aber durchaus thematische Vorlieben beobachten in Annette Pehnts Gesamtwerk, das mittlerweile gut 25 Bücher umfasst; Vorlieben für Alltägliches und Unausgesprochenes, ein fast schon anatomisches Interesse für Familien und ihre Dynamiken, eine ethnografische Annäherung an Liebe in all ihren Spielarten und für feministische Fragen, für die Macht heteronormativer Rollen- und Beziehungsmuster oder für das Verhältnis zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem.

Und weil Annette Pehnts Texte Räume sind, Aushandlungs- und Ausstellungsräume, sind die Häuser und Wohnungen, die in ihren Texten als Schauplätze in Erscheinung treten, immer schon aufgeladen mit einer metafiktionalen Energie. In ihrem jüngsten Roman Die schmutzige Frau, den die Jury mit dem Preis, der heute vierliehen wird, besonders würdigt, evoziert der Text einen der einflussreichsten Essays der feministischen Literaturgeschichte, Virginia Woolfs A Room of One’s Own, und lässt sich auf einen Dialog damit ein. Die Ich-Erzählerin hat ein Zimmer für sich allein, und mehr als das: eine ganze Wohnung steht ihr fürs Schreiben zur Verfügung, bereitgestellt von ihrem Ehemann, der sich nur ab und zu blicken lässt und dann auch noch hilfsbereit Gemüse schnippelt. Die grosszügige Fördergeste des Ehemanns erscheint jedoch ebenso übergriffig wie die Unfähigkeit der Frau, sich von den Erwartungen ihres Gatten zu lösen. So leicht, erfahren wir in dem Roman, lässt sich das patriarchale System nicht aushebeln; die Körper und ihre Praktiken und Performanzen sind zu träge, vielleicht auch die Geschichten, die an ihnen kleben. Eine unerwartete Umarmung in der neuen Wohnung ist nichts als «ein fiebrig vergangener Augenblick, der auf einmal in diese neue, frisch geordnete Gegenwart hineineiterte, bis wir es nicht mehr aushielten und uns voneinander lösten.»

Die Wohnung, hoch über den Dächern, ist Paradies und Hölle zugleich; eine Ausstülpung des patriarchal geprägten Verhältnisses zwischen den beiden Figuren. Das Raffinierte an der Erzählung liegt darin, dass die beiden Ebenen des Textes verschmelzen, dass das Schreiben buchstäblich zum Handeln und zu einer Befreiung führt; genau so, wie es im Nachwort zu Book Rebels steht. Sie erinnern sich: «Aber ich glaube nicht an das ‘nur’. Ich glaube, dass das Wichtigste in unseren Köpfen passiert.»


Dankrede von Annette Pehnt

Sehr geehrte Gäste, liebe Festgemeinschaft,

für Dankesreden gibt es ein paar Spielregeln, es ist eine schöne und feierliche Textgattung, die ich gern sehr ernst nehmen möchte.
Die erste Spielregel ist natürlich die Dankbarkeit. Und die ist bei einem Preis dieser Höhe mindestens so groß wie die Preissumme. Über Geld, Vorschüsse, Honorare etc. redet man ja ausgesprochen ungern im Literaturbetrieb, aber es ist schon eine Ansage, einen Preis so auszustatten, dass man tatsächlich eine Weile gut davon leben kann, denn es gibt viele Autor°innen, für die Preise kein zusätzliches Geschenk, sondern Überlebensgrundlage sind – und es ist auch eine Ansage, was die Bedeutung und Förderwürdigkeit von Literatur angeht.

Ernst nehmen möchte ich auch die zweite Spielregel für die Textform Dankesrede: eine Floskel, die man gern im Munde führt und die wir alle sicher schon öfter, ganz zu Recht, gehört haben:
‚Dieses Buch, dieses Werk wäre nicht möglich gewesen ohne XY.‘
Den Platzhalter kann man füllen, aber eben nicht beliebig. Früher füllten die preisgekrönten Autoren männlichen Geschlechts sie mit ‚ohne meine Frau, die meine Manuskripte abtippt und dafür sorgt, dass ich nicht vergesse zu essen.‘ Ich möchte sie heute füllen mit einigen Menschen und Institutionen, und ich möchte sie zuspitzen und weiterdenken.

Mein Lebenswerk - und auch das letzte Buch Die schmutzige Frau, mit dem ich mich in der Begründung der Jury sehr gesehen fühle – mein Werk wäre nicht möglich gewesen und wird auch in der Zukunft nicht möglich sein ohne meine Verbündeten.

Meine Verbündeten halten nicht nur zu mir über eine lange Zeitstrecke, Mühseligkeiten, entgegen aller Widrigkeiten und manchmal auch wider besseren Wissens.
Sie hielten auch zu mir, wenn ich nicht zu Elternabenden kam, Schulbrote vergaß zu schmieren, seltsame Bücher zu Weihnachten schenkte, sie lesen, denken und leben mit mir, sie befeuern und trösten mich und halten mich aus. Danke, Iona und all meine Töchter.
Sie halten zu mir, wenn ich nicht weiß, welche Rolle ich wie füllen kann und wie das geht mit dem Älterwerden, sie wenden meine Gedanken hin und her im unendlichen flow des Miteinandersprechens, sie halten mich aus. Danke, Barbara.
Sie halten zu mir bei seltsamen Texten und schrägen Einfällen, auch wenn die Marktlogik und gewinnorientiertes Denken so manches Mal vielleicht anderes raten würde. Danke, Felicitas von Lovenberg und Piper Verlag von Anfang an, seit 2001. Die meisten Ehen halten kürzer.
Sie halten auch zu mir in langwierigen Schreibprozessen, Phasen des Nichtschreibens und bei eigensinnigen formalen Experimenten. Danke, Thomas Tebbe, Lektor und Verbündeter von Anfang an, seit 2000. Du kennst meine Texte besser als ich selbst. Und mich vermutlich auch.
Sie halten zu mir und lotsen mich durch den Anforderungsapparat des Literaturbetriebs, immer auf meiner Seite, immer für die Texte. Danke, Karin Graf und Heinke Hager, von Anfang an, seit 2000.

Und ich will es noch etwas schärfer formulieren.

Nicht nur begleiten mich diese und weitere Verbündete, sondern sie schreiben sich ein in mein Leben. Sie schreiben sich ein in alle meine Texte. Sie schreiben die Texte mit. Ich würde so weit gehen zu sagen: Diese Bücher, für die Sie mich heute so großzügig ehren, wären nicht möglich gewesen ohne all diese Menschen. Ja. Aber mehr noch. Diese Menschen haben an diesen Texten mit mir geschrieben. Das Schreiben entspinnt sich aus dem Sprechen und Denken, aus den Fragen und Berührungen, den Blicken und Beobachtungen, die es alleine nicht gibt. Jedenfalls nicht für mich. Ich kenne mich inzwischen gut genug, um zu wissen: Als autarke Zelle verkümmere ich, als solitäres Genie kann ich mich nicht und niemand anderen verstehen. Das Schreiben ist mir, so wie alle Vorgänge des Lebens, eine Bewegung zwischen Gehirnen, Texten und Körpern, und nur in dieser Vielsinnigkeit kommt es überhaupt in Gang.
James Joyce hat in The Portrait of an Artist as a young man die Lebensprinzipien des (männlichen) Dichters in einer Dreifaltigkeit formuliert: silence exile cunning. Also Schweigen, Exil, List. (Übrigens trägt Jonny Depp dieses Motto als Tattoo auf seinem rechten Oberarm). Es mag sein, dass diese Prinzipien für einen irischen Poeten Anfang des letzten Jahrhunderts im kolonialisierten Irland hilfreich waren. Für mich funktioniert es ganz umgekehrt. Aus der Stille heraus schreibe ich nicht, sondern im Großen Gemurmel der Gesellschaft der Texte und Schreibenden. ‚Deep within me the presence of other voices.‘ Im Exil muss ich als privilegierter Mensch nicht leben, auch nicht im Exil der Kunst – stattdessen suche ich die Gemeinschaft, die Reibung mit anderen, die Verbundenheit mit meinen Kompliz°innen.

Und hier möchte ich noch einer anderen kleinen Gruppe von Menschen danken, die auch heute Abend zu Gast sind. Seit über einem Jahr arbeite ich gemeinsam mit vier weiteren Schreibenden in einem Schreibkollektiv an einem gemeinsamen Vorhaben. Nach Donna Haraway nennen wir uns das Kritter Kollektiv, und unser Gedanke ist, gemeinsam an einer sozialen Poetik zu arbeiten und die Einzelautorschaft als ästhetische Institution zu unterlaufen. Im literarischen Feld werden bisher noch durchgehend nur einzelne Autor°innen verlegt, vermarktet, gehypt, mit Preisen geehrt. Was in anderen Sparten dagegen längst gängige Praxis ist, hat in den Literaturbetrieb kaum Eingang gefunden. Bei der Bewerbung für Stipendien, residencies, Förderprogramme, auch Preise merken wir: Es geht immer nur um den einzelnen Künstler. Die Gründe dafür sind interessant und vielfältig, und ich würde gern sehr viel mehr und öfter darüber auch in der literarischen Welt öffentlich nachdenken und diskutieren. Aber nun gibt es uns (und wir sind auch nicht ganz die einzigen), und hier kann ich sagen: Unser Werk wird nicht möglich gewesen sein ohne einander, ohne das Große, eigensinnige, unablässige, zutiefst freundliche, aber nie säuselnde Gemurmel und Gekritter, in dem wir uns halten, dieses langwierige, aufreibende und so endlos produktive Dauergespräch des Schreibens – eine gelebte Utopie eines anderen literarischen Lebens, konkurrenzbefreit und solidarisch. Wach und unermüdlich. Staying with the trouble. Dafür möchte ich Euch danken, meine Kritter Kompliz°innen. Und vielleicht zeichnet sich hier eine Form der gemeinsamen Arbeit, des gemeinsamen Schaffens nach, die gerade erst beginnt.
Wir suchen danach.
Und dass wir dabei nicht müde werden, dass ich nicht müde werde - auch dabei hilft dieser Preis.


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