Paul-Celan-Preis 2024 an Thomas Weiler
Der vom Deutschen Literaturfonds alljährlich vergebene Paul-Celan-Preis für herausragende Übersetzungen ins Deutsche geht in diesem Jahr an
. Der Preis ist seit 2024 mit 25.000 € dotiert.Der Preis wurde am 21. November 2024 im Literarischen Colloquium Berlin vergeben.
Begründung der Jury
Der Paul-Celan-Preis 2024 geht an
. Sein facettenreiches übersetzerisches Werk erschließt dem deutschsprachigen Publikum hierzulande wenig bekannte Literatur aus dem Belarussischen, Polnischen und Russischen, so von Artur Klinau, Viktor Martinowitsch, Volha Hapeyeva, Alexandra Litwina, Ziemowit Szczerek und Julia Cimafiejeva. Die Genres seiner Übertragungen reichen von komplexer Prosa über hochanspruchsvolle Kinderliteratur bis zu feinsinniger Lyrik.Den Paul-Celan-Preis erhält
im Besonderen für seine Übersetzung des Romans Europas Hunde von Alhierd Bacharevič (Verlag Voland & Quist), der in Belarus verboten und als extremistisch eingestuft ist. Der 2017 erschienene Text nimmt die Lesenden mit auf eine so düstere wie witzige Reise durch Vergangenheit und imaginierte Zukunft von Belarus (und Europa) und behandelt dabei in prophetisch anmutender Präzision Themen von höchster Aktualität. Die Jury würdigt Weilers großartige Übertragung, in der er die unterschiedlichsten Stimmen im Roman mit beeindruckender Kreativität und Sprachfreude zu Gehör bringt und dabei brillant so unterschiedliche Register wie Slang, Archaik, Mythologie und Satire zieht. Neben dem Belarussischen und Russischen, in denen Europas Hunde verfasst ist, hatte auch ein Wörterbuch der Kunstsprache Balbuta zu übersetzen, die in der Romanhandlung entwickelt und gesprochen wird. Mit seinen experimentierfreudigen Sprachspielen, seinem feinen Sinn für Rhythmik und Klang auf unterschiedlichen Textebenen und seiner Akribie, die ihn die zahlreichen kulturellen Anspielungen des Romans nachzeichnen lässt, schenkt der deutschsprachigen Leserschaft unerhörten Sprachgenuss und den Zugang zu einem bisher unbekannten Stück Weltliteratur.Laudatio auf
von Lorenz HoffmannLiebe Anwesende, lieber Thomas Weiler!
Es war Erde in ihnen, und
sie gruben.
Sie gruben und gruben, so ging
ihr Tag dahin, ihre Nacht. Und sie lobten nicht Gott,
der, so hörten sie, alles dies wollte,
der, so hörten sie, alles dies wusste.
Sie gruben und hörten nichts mehr;
sie wurden nicht weise, erfanden kein Lied,
erdachten sich keinerlei Sprache.
Sie gruben.
Der alte Hamburger Buchhändler Lampe rezitiert die bekannten Verse Paul Celans im letzten Teil von Alhierd Bacharevičs Roman Europas Hunde im Rahmen einer Videobotschaft in die finstere Zukunft des Jahres 2050. Finster deshalb, weil es eine Zukunft ist, in der es keine Literatur mehr geben wird und den Menschen in Europa die Namen Kafka, Joyce und Celan nichts mehr sagen.
Die Verse sind weit hinten im Buch versteckt und im Textbild als Prosa getarnt. Wir ahnen also: sie sind von zentraler Bedeutung. Eine spät gelieferte Gebrauchsanweisung, eine vergrabene Bauskizze, eine Celansche Flaschenpost mit Grundmotiven des Textes.
In Europas Hunde werden viele Lieder erfunden, gleich mehrere Sprachen erdacht. Und es wird gegraben und vergraben, was das Zeug hält. Zeitkapseln spielen eine große Rolle, Fluchttunnel werden gegraben, auch in den Lüften. Es geht um vergrabene Erinnerungen, um Erdmenschen und verschüttete Wurzeln. Den Romantext selbst durchzieht ein kunstvoll gegrabenes Netzwerk von poetischen Maulwurfsgängen, kommunizierenden Röhren in die Weltliteratur und Wurmlöchern, die uns das Hin-und-Her-Bewegen zwischen den vielfältigen Raum-, Zeit- und Erzähldimensionen ermöglichen.
Bevor wir uns in dieses verschlungene Gangsystem hinein bewegen, bitte ich Sie, mir - Celans Verse immer im Hinterkopf - auf einen gedanklichen Pfad zu folgen, der uns zu einer ganz anders gearteten, jüngst im Aufbau-Verlag erschienenen Übersetzung Thomas Weilers führt.
Zur Feldbibliothek der Wehrmachtsoffiziere, die nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im heutigen Belarus stationiert waren - einer meiner Großväter war darunter - gehörte ein kleines Büchlein im Postkartenformat, der Deutsch-Russische Soldatensprachführer von Fritz Sulzberger. Hachmeister und Thal, Leipzig, 1938. Er enthält auf 35 Seiten die wichtigsten Vokabeln, - für Brot, Butter, Milch, Kartoffeln usw. Und die nötigsten Wendungen für den Alltag:
Не двигайтесь , иначе я выстрелю. - Stehen bleiben oder ich schieße!
Лес густой? - Ist der Wald dicht?
Дома, из которых стреляют, будут сожжены. - Häuser aus denen geschossen wird, werden verbrannt.
Es scheint, Terror, Vernichtung und Unmenschlichkeit brauchen wenig Vokabeln. Nötigenfalls genügt ein Wink mit dem Gewehrlauf. Anders das Leid, die Verzweiflung, die Schuldgefühle der Überlebenden. Das Unsagbare braucht viele Worte.
Eine fast 80jährige Bäuerin aus dem Dorf Alchaŭka:
Eine Grube haben sie gegraben vorneweg. Haben sie in eine Reihe gestellt und Maschinengewehre hin. Und dann: „Soundso viele! “Die Leute rein in die Grube, rein in die Grube und dann feuert er mit dem Maschinengewehr und feuert. Und die Frauen da: gleich machen sie ein Geschrei, […] stürzen sich rein. Das Kopftuch vors Gesicht gebunden. […] Und wie sie sie in dieser Grube vergraben haben, soll die Erde geatmet haben, richtig geatmet!
Ales Adamowitsch, Janka Bryl und Uladsimir Kalesnik haben in den 1970er Jahren Zeitzeugenberichte über die Wehrmachtsverbrechen in Belarus gesammelt und zu einer vielstimmigen und vielsprachigen Erzählung verdichtet. Feuerdörfer ist der deutsche Titel. In den belarussischen Dörfern wird je nach Region Polnisch gesprochen und Belarussisch, Russisch, Ukrainisch und die Mischsprache Trasjanka.
Thomas Weiler findet sich in diesem Sprachdickicht zurecht und kann jeder einzelnen Stimme genau zuzuhören. Mit Empathie, Zurückhaltung und Gespür für die kleinste Nuance übersetzt er diese Texte so, dass kein einziger stummer Schrei ungehört bleibt.
1998 geht Thomas Weiler als Freiwilliger eines der Aktion Sühnezeichen nahestehenden Vereins nach Minsk, wo er in einem Kinderheim arbeitet. In Minsk lernt er Russisch, später, im Übersetzerstudium, kommen Belarussisch und Polnisch hinzu. 2007 beginnt er als freier Übersetzer aus diesen drei Sprachen zu arbeiten. Seine erste größere Prosaübersetzung, auch ein Roman Alhierd Bacharevičs, Die Elster auf dem Galgen, erscheint 2010. Keine eineinhalb Jahrzehnte später erhält er den Paul-Celan-Preis für sein Lebenswerk und gilt als renommiertester Übersetzer und Vermittler belarussischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Seit Oktober ist er zudem Inhaber der aktuellen August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der Freien Universität Berlin.
Heilandsack! möchte man da – mit einem sehr Weilerschen Ausdruck – bewundernd ausrufen.
Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass der Übersetzer Thomas Weiler ein Glücksfall ist für Alhierd Bacharevičs Roman Europas Hunde und umgekehrt der Roman ein beglückendes, weil befreiendes Ereignis für den Übersetzer (und natürlich für uns Lesende). Warum befreiend?
In sechs Teilen, die in je unterschiedlichen Zeiten spielen und je einen eigenen Erzähler und Erzählstil haben, beschreibt Europas Hunde Belarus’ Weg in eine unfreie, totalitäre Zukunft. Nach einem langen Krieg hat sich das russische Imperium um das Jahr 2030 herum komplett vom Westen abgeschottet und sich Belarus als neue westliche Grenzregion einverleibt. Im Jahr 2050 weiß kaum jemand dies- oder jenseits der Grenzen des Imperiums, dass ein Land dieses Namens je existiert hat. Zu diesem Zeitpunkt, ich erwähnte es eingangs, werden die Menschen in ganz Europa nicht mehr lesen und ihre Dichter vergessen haben.
Gleichsam rebellierend gegen die selbst entworfene düstere Zukunftsvision gibt sich der Roman ein poetisches Konzept, das vielleicht mit folgenden Schlagworten beschrieben werden kann: Freiheit, überbordende Phantasie, Glaube an die Widerständigkeit der Sprache und die grenzüberschreitenden Möglichkeiten der Literatur.
Dem Jungen Maŭčun, der das Märchen von Nils Holgersson liebt, gelingt es kraft seiner Imagination, auf dem Rücken einer Gans aus dem öden belarussischen Grenzland in den Westen zu fliegen, um ein Dichter zu werden. (Dass er dort scheitert, steht auf einem anderen Blatt.)
Oleg Olegowitsch, Bewohner einer – Zitat Thomas Weiler - "räudigen, gleichsam verräucherten Einraumbutze" im Minsk der 2010er Jahre und Erzähler des ersten Teils erfindet sich eine eigene Sprache, die constructed language Balbuta. Sie soll ihn befreien vom kulturellen und historischen Ballast und den Denkbarrieren der existierenden Sprachen. Auf Balbuta begrüßt man sich mit den Worten: "Bu samoje!", Sei frei!
Thomas Weiler – nun endlich wieder zurück zum Übersetzer – versteht die Vielstimmigkeit des Romans, seine Sprachmächtigkeit und offene poetische Konzeption als Aufforderung zur Freiheit, sich seinerseits mit überbordender Kreativität als souveräner Sprachschöpfer und Sprachkünstler zu betätigen.
Dreißig Grad im Schatten. Roman eines Sommertages. Die Handlung des vierten Teils spielt an einem heißen Sommertag im Minsk der späten Neunziger Jahre (also der Zeit, in der Thomas Weiler hier seinen Freiwilligendienst geleistet hat). Der Ich-Erzähler, vierzigjährig, Typ Taugenichts und Konsumverweigerer, soll im Auftrag seiner Mutter eine Plastiktüte ominösen Inhalts bei unbekannten Adressaten abliefern, irgendwo am anderen Ende der Stadt. Die Tüte geht mehrmals verloren, taucht wieder auf, es entfaltet sich eine Odyssee kreuz und quer durch Minsk. (Nicht ausgeschlossen, dass der im Text nicht datierte Tag ein 16. Juni war.) In einer wundervollen Szene begegnet der Erzähler in der Metro einem gewissen Alhierd Bacharevič und dessen Frau, der Dichterin Julia Cimafiejeva, die er beide ziemlich abgehoben findet.
Es macht mir Vergnügen, mir vorzustellen, er könnte auch dem jungen Thomas Weiler begegnet sein, beispielsweise während dieser im Antiquariat der Buchhandlung „Vedy“ über die Anschaffung der belarussischen Schulgrammatik von Taraškiéwič nachdachte.
Aber eigentlich will ich auf eine ganz andere Begegnung von Erzähler und Übersetzer hinaus.
Es ist, wie gesagt, knallheiß in Minsk an diesem Tag, dem Erzähler brennt die Sonne auf den Schädel. Er fühlt sich wie die aufgeheizte Dzierżyński-Statue vor dem KGB-Gebäude. "Stasi-Feliks, Quasi-Phönix".
Mit aufgeheiztem Hirn kalauert er sich durch die Stadt. Er erlebt einen Minsker Madeleine-Moment, als er am Bahnhof in einen "Bieliaš" beißt, einen in Fett ausgebackenen, mit Hackfleisch gefüllten Teigfladen, dessen Geschmack ihn in die sowjetische Vergangenheit zurück führt. Und da entfährt es ihm:
"Ich liebe Bieliašy.
Und ich liebe Wortspiele".
In diesem Moment höre ich Thomas Weiler an seinem Schreibtisch aufseufzen: Ja, ich auch!
Nicht zufällig ist er auch ein gefragter Übersetzer von Kinderliteratur. In ihm wohnen ein Morgensternscher Sprachspieltrieb und feiner wortschöpferischer Witz.
Kurz bevor unser Minsker erstmals seine Plastiktüte übergeben kann, wird er von einem Gaunerpärchen niedergeschlagen und beraubt:
"Wo wollten sie wohl hin? Ins Momo, zu Mama, Mofas manipulieren? Tüte schwenkend machten sie sich auf zur Haltestelle. Ich rappelte mich auf, kuppelte, pippelte, doppelte, apoloppelte, dann stand ich und konnte kurz durchschnaufen."
Er verfolgt die beiden in ein früher Zigeunerviertel genanntes Gebiet von Minsk. Und ausgerechnet hier - d.h. natürlich ausgerechnet hier - begegnet uns unvermutet Paul Celan wieder, in einer alliterationsversessenen, Wortfelder pflügenden Betrachtung über Antiziganismus.
"Komischerweise bezichtigt man alle, die aus der Liste der Menschen gestrichen werden, einer übertriebenen Neigung zum Handel. Handel ist böse. […] Belarussen sind keine Händler. Sie sind Landleute. Landsleute. Landtiere. Erdenwesen. Erdwürmer. Erdwühler. Erdlinge. Wenn sie nur graben können, sind sie in ihrem Element. Erdbunker, Gruben. Sich in die Erde pflanzen, austreiben, Wurzeln schlagen. Sich dermaßen in die Erde hineinleben, hinein krallen, dass dich niemand mehr ausreißen kann."
Es ist, wie gesagt, ein subtiles, dicht gegrabenes, kreuz und quer führendes Gangsystem aus Motiven und intertextuellen Bezügen, das die einzelnen Teile des Romans untereinander verbindet und seine Architektur ausmacht. Im Prozess der Übersetzung besteht da permanent Einsturz- und Verschüttungsgefahr. Es ist neben - nein, sagen wir nach - seiner großen Sprachkunst, eine gar nicht hoch genug zu bewertende Leistung Thomas Weilers, in dieser komplizierten Struktur den Überblick behalten und sie kongenial ins Deutsche gebracht zu haben.
Lieber Thomas, bu bavoje a ujma duzuta parou tajnobalboje utajuta!
Herzlichen Glückwunsch zu dieser großartigen und wohlverdienten Auszeichnung!
Dankrede von
Wer eine erst vor kurzem erfundene Sprache spricht,
macht sich in gewisser Weise vor der Weltgeschichte unsichtbar.
Die Weltgeschichte hasst so was. Sie beginnt zu knurren, zu ahnden, zu zielen.
[…] Nur in einer neuen, völlig geschichtslosen Sprache
können dich die alten Götter nicht erkennen.
Du bist frei, umtriebig. Du bist gefährlich.
Clemens J. Setz
"Augilejmu" heißt: danke.
So steht es im Wörterbuch Balbuta-Deutsch, das der deutschen Ausgabe von Alhierd Bacharevičs Roman Сабакі Эўропы, beigegeben ist, Europas Hunde, erschienen 2024 im Verlag Voland & Quist. So steht es nicht im Wörterbuch Balbuta-Belarussisch in der Originalausgabe von 2017 aus dem Hause Lohvinaŭ, auch nicht in der russischen Eigenübersetzung des Autors von 2020. Die Vokabel kommt im gesamten Text nicht vor. Ein Fehler? Eine Eigenmächtigkeit des Übersetzers?
Balbuta ist eine Plansprache, eine "constructed language". Ihren Konstrukteur, Oleg Olegowitsch, lernen wir als Ich-Erzähler im ersten von sechs Teilen des Romans kennen. Ihrer Konstruktion dürfen wir beiwohnen, dürfen mitverfolgen, wie der Sprache Leben eingehaucht wird und sie zu wirken beginnt. Dabei erschafft Oleg Olegowitsch sie eigentlich für sich allein. Dass sie dann doch zur Welt kommt, ist einer Unbedachtheit geschuldet, einer Übersetzung. Oleg Olegowitsch veröffentlicht seine Balbuta-Version eines Gedichts des Lyrikers Imre von Stukar in einem Online-Forum, und das Verhängnis nimmt seinen Lauf: „Balbuta ist so lebendig geworden, dass sie sogar jemanden das Leben gekostet hat.“ Balbuta ist so lebendig geworden, dass sie auch jenseits des Romans ihr Wesen zu treiben beginnt. Sie entwickelt sich fort, neue Vokabeln wachsen ihr zu, in ihr wird geschrieben und gesungen, in sie wird übersetzt, am 10. Januar feiert man rund um den Globus den Internationalen Balbuta-Tag.
Bei einer gemeinsamen Lesung in Neuruppin bekannte Alhierd Bacharevič, er hätte das Romanmanuskript am liebsten nicht dem Betrieb und der Öffentlichkeit anvertraut, sondern es in ein Einmachglas gesteckt und vergraben. Eine Zeitkapsel, die im Verborgenen geduldig wartet, bis die Zukunft dann auch mal so weit ist. Er hat es nicht getan.
Alhierd Bacharevič hat mir am 8. Mai 2018 nach einer gemeinsamen Hausgäste-Lesung mit ihm und seiner Frau, der Lyrikerin und Übersetzerin Julia Cimafiejeva, im Literarischen Colloquium Berlin ein Exemplar der Erstausgabe geschenkt. Sechseinhalb Jahre und eine Zeitenwende später, pünktlich zum 256. Geburtstag Friedrich Schleiermachers, haben Europas Hunde uns heute erneut hier zusammengeführt. "The artist is present", oder wie der Balbutaner sagt: "tajnask jugu".
"Ujma augilejmu, amiloje komuta! Parou balbutima tajnoje, istoje. Parou gramutikama, sau bim natuzu, da sau bu natuzu tau. O azurkoje bavuta, kartuzu da utajuzu tekstutika kvaj tajnoje."
Danke für die reichen Hintergrundlektüren, zu denen dieser Text mich verführt hat, zu Nabokov, Joyce, Kafka, Lagerlöf, Chodassewitsch, Alexej Tolstoi, Johannes Ittmann und, ja, auch zu Paul Celan.
Danke, Lorenz, für die bisherigen gemeinsamen Übersetzungserfahrungen, für gute Gespräche nach unseren Chorproben und auch sonst, und natürlich für deine Laudatio, mit der ich glücklich sein werde, wenn ich meine Danksagung verlese. Da habe ich keinerlei Zweifel.
Dem Deutschen Literaturfonds habe ich zu danken für die Stiftung des Paul-Celan-Preises für herausragende Literaturübersetzungen aus dem Französischen ins Deutsche vor 26 Jahren und fast mehr noch für die spätere Öffnung auch für andere Sprachen. Über die finanzielle Situation von Autorinnen und Übersetzern und über die Bedeutung von Preisen und Preisgeldern ist in jüngster Zeit häufiger gesprochen worden. Das ist gut und notwendig. Ohne Förderung durch den Deutschen Übersetzerfonds gäbe es Europas Hunde nicht in deutscher Übersetzung. Wäre die angekündigte Kürzung der Mittel für die Kulturfonds schon Realität, hätte „Thomas Weiler der deutschsprachigen Leserschaft unerhörten Sprachgenuss und den Zugang zu einem bisher unbekannten Stück Weltliteratur“ nicht schenken können, bei aller Liebe.
Ich danke der Jury, namentlich Karin Betz, Ursula Gräfe, Patricia Klobusiczky, Christiane Körner und Ulrich Sonnenberg, für ihre Entscheidung, die mir viel bedeutet. Für ihre besondere Würdigung der Übersetzung von Europas Hunde, aber nicht weniger dafür, dass sie in ihrer Begründung auch die allzu oft übersehenen Sparten Lyrik und Kinderliteratur berücksichtigt haben.
Ich habe Lesern und Kritikerinnen zu danken, die in vorauseilender Weitsicht beherzigen, was Alhierd Bacharevič formulierte und Tina Wünschmann für dekoder ins Deutsche brachte: „Genau das will ich mit der deutschen Übersetzung meines Romans Europas Hunde erreichen – erzwingen, dass ich mit diesem Buch nicht als Wilder aus einem elenden Land betrachtet werde, sondern als europäischer belarussischer Autor, der etwas zu sagen hat und dessen Land und Sprache nicht schlechter sind als andere.“ Danke allen, die Literatur als Literatur zu lesen verstehen, und die Autoren nicht zu Berichterstattern über die Zustände in der Heimat verzwergen.
Sicher, auch diese Zeugnisse und Berichte sind enorm wichtig, auch sie verdienen unbedingt unsere Aufmerksamkeit. Aber suchen wir sie besser an anderer Stelle: "spring96.org" ist so eine Quelle, "spring" wie Frühling, "вясна, ’96" wie das Jahr, in dem Ales Bjaljazki die Menschenrechtsorganisation gründete. Ales Bjaljazki, einer von aktuell rund 1300 anerkannten politischen Häftlingen in Belarus, Friedensnobelpreisträger, verurteilt zu 10 Jahren Gefängnis. Auch an den Minsker Übersetzerkollegen Siarhei sei hier erinnert, der ebenfalls aus politischen Gründen zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Unter "spring96.org" ist das für uns alle nachlesbar, tagesaktuell, auch auf Englisch.
Für meine jüngst bei Aufbau erschienene Übersetzung der Feuerdörfer musste ich ein unappetitliches Goebbels-Zitat recherchieren, in dem er vom „Kleinstaatengerümpel“ in Europa spricht, das zu liquidieren sei. Schärfen wir endlich unseren Blick für die kleinen Staaten. Unter "dekoder.org" können wir uns informieren, können unabhängige belarussische Stimmen jenseits des Propagandageschreis zur Kenntnis nehmen, in professionellen deutschen Übersetzungen. Noch ‒ die Finanzierung wackelt auch hier. "Potvojmu" heißt: bitte.
Danke Voland & Quist & Leif & Ilka & Anna & Mira und der ganzen Bande, dass ihr immer wieder unverdrossen auf Entdeckungsreise in die kleinen Literaturen des Ostens aufbrecht, dass ihr eure Übersetzer mit fairen Konditionen, namentlicher Nennung auf dem Cover und großzügigem Raum für Hintergründiges zu ihren Übersetzungen auf der Seite fussnoten.eu beschenkt. Und danke, dass ihr tatsächlich das Balbuta-Wörterbuch als Extra-Einleger möglich gemacht habt. Danke, Juri, fürs Basteln der Balbuta-Vokabelkärtchen, danke, auch Svenja und Hanne, fürs Mitlernen und Abfragen. Danke euch allen dreien für die Ideen, was man mit dem Preisgeld alles anfangen könnte.
Sabine, was soll ich sagen? "Ujma" heißt: viel, alles, jeder, groß, sehr, vieles, besonders …
"Ujma augilejmu!"